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Akten der belgischen Nachkriegsgerichtsverfahren sollen beschränkt zugänglich gemacht werden

Das CEGES/SOMA (Centre d'Études et de Documentation Guerre et Sociétés contemporaines / Studie- en Documentatiecentrum Oorlog en Hedendaagse Maatschappij = Studien- und Dokumentationszentrum »Krieg und Gegenwartsgesellschaft«) lud für den 18. Oktober zu einem Studientag im Belgischen Parlament, um die Frage des Zugangs zu den Gerichtsarchiven der Nachkriegsprozesse zu klären. An der Beratung beteiligten sich belgische Juristen, ArchivarInnen und HistorikerInnen sowie Fachleute aus den Niederlanden, Frankreich und Österreich. Über die Situation in Österreich informierte Winfried Garscha (Forschungsstelle Nachkriegsjustiz).
Da die justizielle Ahndung der Kollaboration mit den deutschen Besatzern nach der Befreiung in der Kompetenz besonderer Militärgerichte lag, nahm auch der Leiter der Militärstaatsanwaltschaft an der Diskussion teil. Die Bedeutung der Tagung wurde durch die Anwesenheit von Justizminister Marc Verwilghen unterstrichen, der ankündigte, dass ein Gesamtregister der umfangreichen Akten erstellt werden soll.
Ungelöst blieben weiterhin die rechtlichen Probleme der Verwendung der Akten für die historische Forschung, die durch den europaweit einzigartigen belgischen Datenschutz aufgeworfen werden: Die Sperrfrist von 100 Jahren kann nur durch eine Einwilligung der Betroffenen aufgehoben werden, wobei es in Belgien einen Schutz persönlicher Daten auch für Tote gibt (die Entscheidung über die Freigabe liegt in solchen Fällen bei den Familienangehörigen). Außerdem wird in Belgien bei Justizakten zwischen Schuldsprüchen einerseits und Freisprüchen bzw. Verfahrenseinstellungen andererseits unterschieden; letztere unterliegen einem zusätzlichen Datenschutz.
Justizminister Verwilghen schlug aber konkrete Schritte vor, wie sich Staatsarchiv und Militärstaatsanwaltschaft (Auditeur Général) auf eine Übergabe der Akten an das Archiv einigen und eine Liste jener wissenschaftlichen Institutionen erstellen könnten, denen Zutritt zu den Akten gewährt wird, um ein Gleichgewicht zwischen dem Recht auf Privatsphäre und dem Recht auf Information herzustellen.




Konferenz in Brüssel, 18. 10. 2002