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Wie Auschwitz zum Inbegriff der NS-Verbrechen wurde
Ein Prozess ohne Beispiel: 40 Jahre Frankfurter Auschwitzprozess

Vor vierzig Jahren, am 20. August 1965, ging in Frankfurt der wohl wichtigste Prozess der deutschen Nachkriegsgeschichte zu Ende: Die Strafsache 4 Ks 2/63 gegen Angehörige der Wachmannschaft des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau, die den Anfang der deutschen „Vergangenheitsbewältigung durch Strafverfahren“ markierte. Sechs der zwanzig Angeklagten wurden zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt, drei wurden freigesprochen, die übrigen zu Zuchthausstrafen zwischen dreieinhalb und vierzehn Jahren verurteilt. Das Urteil umfasst 450 Druckseiten und bildet die bis dahin umfassendste „amtliche“ Darstellung der Schrecken von Auschwitz. Seit 1958 hatte Generalstaatsanwalt Fritz Bauer über 1.300 überlebende Opfer und Täter vernehmen lassen, 250 waren während der mehr als anderthalbjährigen Gerichtsverhandlung in den Zeugenstand gerufen worden.

Durch diesen Prozess, über den die Medien breit berichteten, wurde Auschwitz gewissermaßen in die deutschen Wohnzimmer geholt. Nur wenige Jahre, nach dem Prozess gegen Adolf Eichmann in Jerusalem, durch den die Mörder von Millionen Jüdinnen und Juden ein Gesicht bekommen und die „Banalität des Bösen“ (Hanna Arendt) emotional nachvollziehbar gemacht worden war, wurde ein Ort stellvertretend für alle anderen zum Symbol des Verbrechens: Auschwitz. Künftig markierte dieser Name den „Zivilisationsbruch“ (Dan Diner), den der Holocaust für die europäische Kultur bedeutete.

Die österreichischen Auschwitz-Prozesse
Der Frankfurter Prozess war nicht die erste juristische Auseinandersetzung mit den Verbrechen in Auschwitz. Die ersten Prozesse fanden in Polen statt, unter den Angeklagten waren auch Österreicher, darunter der Gestapochef von Auschwitz, Maximilian Grabner, der 1947 in Krakau hingerichtet wurde. Das erste (und einzige) große Ermittlungsverfahren gegen österreichische Angehörige der Wachmannschaft wurde aber erst 1960 eingeleitet. Die gerichtlichen Untersuchungen zogen sich jahrelang hin, nur gegen vier Beschuldigte wurde schließlich Anklage erhoben. In zwei mehrwöchigen Prozessen wurden 1972 alle vier trotz teilweise erdrückender Beweislast von den Geschworenen freigesprochen.

Hermann Langbein und die Auschwitz-Prozesse als Thema zweier Veranstaltungen im Herbst
Die Rolle des Auschwitz-Überlebenden Hermann Langbein für die Auschwitzprozesse wird anlässlich seines 10. Todestages gewürdigt werden: Im Rahmen einesein Symposiums der Gesellschaft für politische Aufklärung, der Forschungsstelle Nachkriegsjustiz und des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes am 7. und 8. Oktober. Langbein und die Auschwitz-Prozesse ist auch Thema des heurigen „Zeitzeugen-Seminars“ des Bildungsministeriums (23. bis 25. Oktober).

Die geplante Ausstellung in Wien 2008
Dem Auschwitz-Prozess wurde vom Frankfurter Fritz Bauer Institut eine Großausstellung gewidmet, die 2004 in Frankfurt und Berlin gezeigt wurde. Sie wird in den nächsten zwei Jahren in weiteren Orten Deutschlands, Italiens, Israels und Amerikas gezeigt werden und soll 2008 von der Forschungsstelle Nachkriegsjustiz, durch einen eigenen Teil über die Wiener Prozesse und die Rolle Hermann Langbeins ergänzt, nach Wien gebracht werden.

Links:

Presseerklärung der Forschungsstelle Nachkriegsjustiz zum 60. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz-Birkenau
(mit Links zu Beiträgen über Auschwitz-Prozesse)

www.fritz-bauer-institut.de

 




Presseerklärung der Zentralen österreichischen Forschungsstelle Nachkriegsjustiz zum 20.8.2005



"Bewältigung unserer Vergangenheit heißt Gerichtstag halten über uns selbst, Gerichtstag über die gefährlichen Faktoren in unserer Geschichte, nicht zuletzt über alles, was hier inhuman war; woraus sich zugleich ein Bekenntnis zu wahrhaft menschlichen Werten in Vergangenheit und Gegenwart ergibt"
Fitz Bauer, Frankfurter Generalstaatsanwalt


"Wenn alles Menschenmögliche geschehen soll, damit eine Wiederholung dessen, was in Auschwitz geschehen konnte, ausgeschlossen werden kann, dann muss die Jugend erfahren, wieso es überhaupt im 20. Jahrhundert möglich wurde, dass wehrlose Menschen ohne eine auch nur vermeintliche persönliche Schuld millionenfach systematisch vernichtet wurden, so wie man Ungeziefer vertilgt. Um Schlussfolgerungen zu ziehen, muss man wissen, was in Auschwitz geschah"
Hermann Langbein (1912 - 1995)