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Interdisziplinäres Forschungsseminar an der Philipps-Universität Marburg/Lahn
Die Kategorie Geschlecht bei der justiziellen Ahndung von Kriegs- und Humanitätsverbrechen
Leitung: Wolfgang Form (Marburg), Claudia Kuretsidis-Haider (Wien)

Über Jahrhunderte hinweg war sexualisierte und andere Gewalt gegen Frauen in Kriegszeiten kein Thema. Mit der Ahndung der Kriegsgräuel des 2. Weltkrieges begann ein Umdenken in dieser Frage. Mittlerweile ist Vergewaltigung als Kriegsverbrechen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit festgelegt. 2001 fand in Den Haag der erste Prozess statt, der sich ausschließlich mit Vergewaltigungen und sexueller Gewalt im Krieg befasste. Den positiven Entwicklungen im Völkerstrafrecht auf der einen Seite steht die schwierige Situation vieler weiblicher Opfer, als Zeuginnen vor Gericht aufzutreten und über traumatische Erfahrungen neuerlich sprechen zu müssen gegenüber. Ein Problem, das generell bei Makroverbrechen evident ist. Gewalt gegen Frauen im Zuge bewaffneter Konflikte ist geschlechterspezifisch begründet und vergegenwärtigt nicht nur Diskriminierung von Frauen in Friedenszeiten, sondern manifestiert vielmehr ihre Ungleichbehandlung in extremer Form.
Im Verlauf des Forschungsseminars werden historische wie aktuelle Fragestellungen (restriktive wie progressive) zur Kategorie Geschlecht bei der Ahndung von Kriegs- und Humanitätsverbrechen diskutieren.
Darin eingebunden ist nicht nur sexuelle Gewalt gegen Frauen und Kinder, sondern auch solche gegen Männer und ihr gesellschaftlicher Diskurs in Nachkriegsgesellschaften.
Ging die Frauenforschung bis Mitte der 1980er Jahre von einer grundsätzlichen Differenz der Geschlechter aus und baute darauf die These des generellen Opferstatus der Frau in kriegerischen Auseinandersetzungen auf, so wurde dieser in einer zweiten Phase die These entgegengestellt, dass Frauen als Täterinnen an Aufbau und Erhalt von patriarchalen Strukturen und Unterdrückungsmechanismen beteiligt sind. Die Frauenforschung fokussierte diese Debatte vor allem auf die Rolle der Frau im Nationalsozialismus. Mittlerweile wird bereits eine differenzierte Darstellung der Rollen von Frauen in der NS-Zeit diskutiert und lässt sich anhand ausgewählter Nachkriegsprozesse zu bestimmten Tatkomplexen analysieren. Ziel der Lehrveranstaltung ist es auch, ein sublimes Bild von Handlungsspielräumen von Frauen während und nach kriegerischen Auseinandersetzungen zu entwerfen. Dazu zählen in Zeiten entgrenzter staatlicher Gewalt und gefördert von rassistisch geprägten Alltagsstrukturen das stückweise Auflösen geschlechterspezifischer Verfolgungsstrukturen auf der einen Seite und das Einbrechen in Täterrollen durch Frauen auf der anderen Seite.

Ort: Marburg/Lahn, Universitätsstraße 7, Eingang Universitätsstraße, 3. Stock
Landgrafenhaus LH 341 (Intern. Forschungs- und Dokumentationszentrum Kriegsverbrecherprozesse )
Zeit: Blockveranstaltungen (jeweils an Donnerstagen,
11.°° - 13.°° und 14.°° bis 16.°°)
Beginn: Donnerstag, 18. Oktober 2007

Links:
ICWC/Lehre
Seminar- Programm
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Oktober 2007 bis Januar 2008