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Ahndung von NS-Verbrechen an politisch Verfolgten

Die politische Betätigung für eine Widerstandsgruppe wurde den NS-Behörden durch Gestapo-Spitzel oder Denunziationen bekannt. Prozesse wegen Verbrechen an politisch Verfolgten sind daher in erster Linie unter den Verfahren zu finden, die gemäß § 7 KVG (Denunziation) eingeleitet wurden. Der aufsehehenerregendste Volksgerichtsprozess wegen Denunziation war jener gegen den Gestapo-Spitzel Otto Hartmann; der Burgtheaterschauspieler hatte nicht nur Kolleginnen und Kollegen ausgehorcht, sondern auch die Widerstandsgruppen Scholz-Lederer-Kastelic (österreichischen Freiheitsbewegung) infiltriert.
Verfahren wegen Denunziation waren sehr zahlreich. Rund ein Viertel aller Volksgerichtsverfahren wurde wegen dieses Tatvorwurfs eingeleitet. Nach dem bisherigen Forschungsstand dürften rund 20 % aller von den vier Volksgerichten verurteilten Personen nach § 7 KVG verurteilt worden sein. Die Akten dieser Verfahren stellen eine Quelle für sozialgeschichtliche Untersuchungen sowohl der Denunziation während der NS-Zeit als auch der gesellschaftlichen Verhältnisse der unmittelbaren Nachkriegszeit dar.
Ehemalige Gestapo-Gefangene und KZ-Insassen – meist solche, die nach der Befreiung bei der Polizei oder als Funktionäre politischer Parteien tätig – brachten einige ihrer Peiniger vor Gericht. Die zahlreichen Prozesse gegen Beamten der
Gestapo, aber auch Prozesse gegen Angehörige der Lagerwache und Häftlingsfunktionäre in Konzentrationslagern (die meist gemäß § 3 und § 4 KVG, also Quälereien und Misshandlungen sowie Verletzung der Menschenwürde geführt wurden) behandelten Verbrechen an politisch Verfolgten. Wurden den Angeklagten Tötungsdelikte nachgewiesen, konnten auch Todesurteile verhängt werden – . In einem einzigen derartigen Prozess – dem Grazer Gestapo-Prozess – erging ein Todesurteil ausschließlich wegen Folterungen: gegen den Leiter der Gestapo Leoben, Johann Stelzl.
Wie zahlreiche andere Verbrechen bei Kriegsende, die sozusagen "vor der Haustür" der Bevölkerung verübt wurden, standen auch Mordaktionen oder die schein-legalen Standgerichtsverfahren gegen politische GegnerInnen in den letzten Kriegstagen im Mittelpunkt einer Reihe von Volksgerichtsverfahren, darunter jenem gegen den Wiener Generalstaatsanwalt Johann Stich, in dem u.a. die "standrechtliche" Erschießung von Angehörigen der Widerstandsgruppe Kirchl-Trauttmansdorff im Sankt Pöltner Hammerpark verhandelt wurde. Ein weiterer Prozess, in dessen Mittelpunkt ein solches "Standgericht" (nämlich jenes der Kreisleitung Neukirchen in Schwarzau im Gebirge) stand, ist das Verfahren gegen den Neunkirchener Kreisleiter Johann Braun. Der größte derartige Prozess war jener gegen die Verantwortlichen für das Massaker vom 6. April 1945 an über 300 Häftlingen des Zuchthauses Stein an der Donau.