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Presseberichterstattung in überregionalen Medien
über den Innsbrucker Prozess


Im Rahmen des Forschungsvorhabens Justiz und NS-Gewaltverbrechen. Die justizielle »Bewältigung« nationalsozialistischer Verbrechen in der Bundesrepublik Deutschland und Österreich im Vergleich wird seit 2001 ein Teil-Projekt zum Thema »Gesellschaft und Justiz – Entwicklung der rechtlichen Grundlagen, öffentliches Echo und politische Auseinandersetzungen um die Ahndung von NS-Verbrechen in Österreich« durchgeführt, das aus Mitteln des Jubiläumsfonds der Oesterreichischen Nationalbank finanziert wird. Thema ist u.a. die Prozessberichterstattung in ausgewählten Tageszeitungen.
Über den Innsbrucker Kriegsverbrecherprozess vom 9. Dezember 1970 berichten von den untersuchten überregionalen Zeitungen – Wiener Zeitung, Kurier, Kleines Volksblatt, Arbeiter-Zeitung (AZ), Volksstimme und Salzburger Nachrichten (SN) – nur die Wiener Zeitung, die AZ und die SN.


Die offizielle
Wiener Zeitung meldet am 10. Dezember 1970 den Beginn des Prozesses unter der Überschrift »26 Jahre nach der Tat angeklagt« (wie so oft in der Presseberichterstattung jener Jahre wird auch hier auf die zeitliche Distanz hingewiesen):
»Ein Kriegsverbrecherprozess begann gestern vor einem Geschworenensenat in Innsbruck […]. Der Bereits 26 Jahre zurückliegende Fall wurde durch eine deutsche Ermittlungsstelle für Kriegsverbrechen der österreichischen Justizbehörde bekannt gegeben. Wegen Mordes an einem griechischen Widerstandskämpfer, dem Apotheker Josef Sakkadakis, im Mai 1944 auf Kreta, wurde der jetzt 59jährige Tapeziermeister Ferdinand Friedensbacher aus Jochberg angeklagt.«
Der Ausgang des Verfahrens wird den LeserInnen nicht mitgeteilt.

Außergewöhnliche Aufmerksamkeit widmen die
Salzburger Nachrichten dem Prozess gegen Friedensbacher und berichten als einzige Zeitung an 2 Tagen über den Innsbrucker Prozess. Neben der Beschreibung der Tat zitieren die SN aus Aussagen von Entlastungszeugen. Hingewiesen wird dabei – gleichsam als Entschuldigung für die Ermordung – auf deren Berichte über die Grausamkeiten der Partisanen auf Kreta (10. Dezember 1970).
Als Begründung für die Vorgangsweise Friedensbacher schreibt die SN: »Wie aus der Anklage hervorgeht, war der Beschuldigte 1952 [sic! gemeint ist 1942] Feldpolizeisekretär im Agois Nikolaos. Aufgabe seiner Einheit war es, die Truppe gegen Spione, Saboteure und Partisanen zu schützen.«
Das deckt sich wohl auch mit den offiziellen Bildern über Partisanen: Die Wehrmacht müsse vor Partisanen geschützt werden und nicht umgekehrt; der Partisanenkampf als Reaktion auf die Terrorherrschaft der deutschen Besatzer bleibt ausgeblendet. Später erwähnen die SN schließlich auch noch Zeugen »die über die Grausamkeiten der Partisanen auf Kreta« berichteten.
Wohl wird erwähnt, dass Friedensbacher den Apotheker mittels Genickschüssen ermordet hatte, gleichzeitig wird seine Darstellung wiedergegeben, er habe ihn auf der Flucht erschossen. Auch werden Friedensbachers Entlastungsargumente zitiert (er habe den Apotheker als gefährlichen Anführer gehalten und befürchtet, es käme zu Racheakten, falls er den Apotheker wieder freigelassen hätte).
In einem zweiten Artikel (11. Dezember 1970) erwähnen die SN – nach der Darlegung der Begründung für den Freispruch aufgrund der Verjährung der Tat – als Schlusssatz das Verhalten der Zuschauer im Gerichtssaal: »Die Zuhörer, in der Mehrzahl ehemalige Soldaten, quittierten den Freispruch mit Beifall.«

Arbeiter Zeitung, 11. Dezember 1970: Die AZ betitelt ihren Bericht mit »Partisanentod blieb ungesühnt. Freispruch in Kriegsverbrecherprozess« und berichtet kurz über den Tatvorwurf und den Wahrspruch der Geschworenen, aufgrund dessen die Verjährung der Tat nach deutschem Recht zuerkannt wurde. Es fehlen hier im Unterschied zu den SN jegliche Entlastungsargumente, vielmehr wird hier der Mord am Widerstandskämpfer als kaltblütig und brutal bezeichnet.



von: Sabine Loitfellner
Aus: Zwischenbericht 2001 des vom Jubiläumsfonds der OeNB finanzierten Teil-Projekts »Ge-sellschaft und Justiz – Entwicklung der rechtlichen Grundlagen, öffentliches Echo und politische Auseinander-setzungen um die Ahndung von NS-Verbrechen in Österreich«