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Der "Fall Sabukoschek"
Die gerichtliche Voruntersuchung gegen den Grazer Zahnarzt Dr. Emil Sabukoschek wegen des Verdachts der Beteiligung an Kriegsverbrechen in Belgrad (Geiselerschießungen 1941)

Chronologie

23. September 1992
Simon Wiesenthal übergibt der Staatsanwaltschaft Graz und dem Justizministerium Dokumente und Zeugenaussagen betreffend den Belgrader "Judenkommissar Egon" , einen Anfang 1939 von Graz als angeblicher nazi-Gegner nach Belgrad geflüchteten Medizin-Studenten, der bis zum deutschen Überfall auf Jugoslawien (6. April 1941) dort mit der jüdischen Gemeinde verkehrt hatte, dann aber für die Gestapo arbeitete und an der Vorbereitung von Geiselerschießungen beteiligt war. Wiesenthal identifizierte den in den UNO-Kriegsverbrecherlisten "Sabuckowtschek" genannten jungen Mann mit dem Grazer Kieferchirurken Dr. Egon Sabukoschek.

8. Oktober 1992
Pressekonferenz des Dokumentationszentrums des Bundes jüdischer Verfolgter des Naziregimes: Wiesenthal stellt das Dossier samt einigen der Dokumente der Öffentlichkeit vor. Die amtliche "Wiener Zeitung" berichtet darüber am 9. Oktober unter dem Titel »"Antinazi" als Judenkommissar«.

9. Oktober 1992
Ein Untersuchungsrichter am LG für Strafsachen Graz ordnet wegen Flucht- und Verdunkelungsgefahr die Verhaftung des Beschuldigten an, ohne die Entscheidung der Staatsanwaltschaft abzuwarten.

3. November 1992
Das Justizministerium stellt klar, dass die Sabukoschek angelasteten Verbrechen nicht verjährt sind, da diese nach dem österreichischem Strafgesetzbuch von 1975 entsprechend der Rechtslage am Tatort - also nach geltendem jugoslawischem Recht - zu beurteilen sind.

16. November 1992
Nach 39 Tagen Untersuchungshaft verfügt das Oberlandesgericht Graz die Haftentlassung Sabukoscheks. (Die Staatsanwalt hatte gegen den am 4. November von einer Ratskammer des Landesgerichts angeordnete Enthaftung des Beschuldigten Beschwerde eingelegt.)

Februar 1994
Zeugeneinvernahmen am "Friedensgericht" in Tel Aviv in Gegenwart von Untersuchungsrichter und Staatsanwalt aus Graz.

13. Februar 1995
Egon Sabokoschek stirbt an den Folgen eines Herzanfalls. Das Gerichtsverfahren wird eingestellt.

 

[Ausführlicher Text folgt!]

 

Hubertus Czernin, der damalige Herausgeber des "profil" leitete den Abdruck der Serie von Erika Wantoch mit folgender redaktionellen Bemerkung ein:

Der Grazer Prominenten-Zahnarzt Egon Sabukoschek steht seit Oktober 1992 im Verdacht, im Juli 1941 in Belgrad Beihilfe zum Mord an hundert Juden geleistet zu haben. Diese Serie schildert den Weg eines Studenten, der sich als Zivilist den Nazis angedient hatte und nach dem "Anschluß" 1938 vom Nachrichten-Zuträger zum sogenannten Judenkommissar" von Belgrad aufsteig, ohne je Mitglied der NSDAP oder einer anderen Nazi-Organisation gewesen zu sein. Sabukoscheks Fall ist deshalb in der Geschichte der NS-Verfahren außergewöhnlich. Er erscheint nicht als Täter wie viele andere, die sich aus Überzeugung den Nationalsozialisten angeschlossen hatten, sondern als einer, der Zug um Zug in den NS-Apparat hineingeriet: ein Zivilist, außerdem nach den NS-Rassengesetzen ein "Mischling zweiten Grades", der durch seine anfängliche Zusammenarbeit mit den Nazis erst jenen Druck erzeugte, dem er dann erlag. Egon Sabukoschek war Mitläufer, Mitmacher des Regimes und schließlich Dienstnehmer der Gestapo, der davon profitierte — und sei es nur dadurch, dass er sich lange Zeit den Einsatz bei der Wehrmacht ersparte. In der Hierarchie des NS-Staates stand er auf niedriger Stufe, doch hat er von dort aus das Schicksal der Juden mitbestimmt.

 






Geschäftszahl der gerichtlichen Voruntersuchung:
LG Graz 19 Vr 2922/29



Bericht der "Neuen Kronen-Zeitung", 9. Februar 1994: Ein 74jähriger Jude unter Tränen: "Ja, das ist mit Sicherheit Egon!"




Bericht der "Kleinen Zeitung", 24. November 1993 von Christian Weniger




Bericht der "Neuen Kronen-Zeitung", 8. Februar 1994, von Oliver Pokorny über die Vernehmung von ZeugInnen in Tel Aviv




Bericht der "Neuen Zeit", 15. Februar 1995 von Michael Loibner



Unter dem Titel "Aus dem Leben eines unbekannten Mannes in der Fremde" veröffentlichte Erika Wantoch in der Wochenzeitschrift "profil" zwischen Mai und Juli 1994 eine achtteilige Serie über Sabukoschek