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Verfahren vor dem Senat Ried im Innkreis
des Volksgerichts beim Landesgericht Linz

Drei Beispiele

1. Ein Prozess wegen Illegalität/Hochverrat, Zugehörigkeit zur "Österreichischen Legion" sowie Registrierungsbetrugs
2. Der Prozess gegen den Ortsgruppenleiter von Dorf an der Pram wegen Illegalität/Hochverrat
3. Der Prozess gegen einen Untersturmführer der 89. SS-Standarte und zeitweiligen Angehörigen der Gestapo und des SD (Sicherheitsdienst der SS) wegen Illegalität/Hochverrat und Registrierungsbetrugs



Verfahren Vg 8 Vr 2373/46 (3 St 2183/46)

gegen Rudolf L. (geb. 5.9.1913)
Original Archiv OÖLA, Sondergerichte Linz, Schachtel 58
Eingeleitet wegen §§ 8, 10 VG
Anklage am 22.4.1947 wegen §§ 10, 11 VG, § 58 StG
Ausdehnung der Anklage auf § 8 VG in der Hauptverhandlung

Tatvorwurf 1: Illegalität, SA, Österreichische Legion
Tatort: Altheim, Lechfeld
Tatland: Österreich, Deutschland
Tatzeit: 1.7.1933-13.3.1938

Tatvorwurf 2: Registrierungsbetrug
Tatort: Altheim
Tatland: Österreich
Tatzeit: 1.3.1946

Urteil vom 1.8.1947: Haftstrafe 18 Monate wegen § 11 VG, Vermögensverfall, Freispruch hinsichtlich § 8 VG
Vorsitzender Richter: KGPräs. Dr. Watzek-Mischan
Beisitzender Richter: KGPräs.in Ruhe Dr. Ritter
Vertreter der Staatsanwaltschaft: Dr. Kranzlmaier

Strafantritt am 1.8.1947
Bedingte Entlassung am 1.8.1948
Ende der Probezeit. 1.8.1949

Zur Person:
7.1931: HJ
31.8.1932: SA
6.11.1933 : Flucht nach Deutschland, Österreichische Legion
1.5.1938: NSDAP, Nr. 6,372.625
Alter Kämpfer
Goldenes HJ-Abzeichen

Anklageschrift (Auszüge)
<Anm.1>
Rudolf L. habe in Altheim und verschiedenen Orten Deutschlands nach Vollendung des 18. Lebensjahres in der Zeit zwischen dem 1.7.1933 und dem 13.3.1938 der NSDAP angehört, während dieser Zeit und später sich für die nationalsozialistische Bewegung betätigt, sei Angehöriger eines der Wehrverbände der NSDAP, nämlich der SA gewesen, von der NSDAP als „Alter Kämpfer“ anerkannt worden, als einer der im § 10 Abs. 1 VG genannten Personen Träger einer Parteiauszeichnung, nämlich des goldenen HJ-Abzeichens gewesen und habe in Verbindung mit seiner Betätigung für die NSDAP und SA durch seinen Beitritt zur österreichischen Legion Handlungen aus besonders verwerflicher Gesinnung begangen.
Er habe hiedurch das Verbrechen des Hochverrates nach § 58 StG in der Fassung §§ 10, 11 VG begangen und sei hiefür nach § 11 VG zu bestrafen.
[...]

Begründung:

Der Beschuldigte Rudolf L. war Angehöriger eines der Wehrverbände der NSDAP, nämlich der SA seit dem 31.8.1932. Der Hitlerjugend gehörte er bereits seit dem Juli 1931 an. Am 1.5.1938 erfolgte auch seine Aufnahme in die NSDAP mit der Mitgliedsnummer 6,372.625.
Am 6.11.1933 flüchtete er nach Deutschland und trat dort in die österreichische Legion ein und gehörte ihr bis zur Okkupation Österreichs im Jahre 1938 an. Auch war er Träger einer Parteiauszeichnung, nämlich des goldenen HJ-Abzeichens.
Am 11.8.1942 erfolgte seine Anerkennung als „Alter Kämpfer“ durch die ehemalige Gauleitung Oberdonau der NSDAP. In diesem Zusammenhang erfolgte die Anrechnung seiner aktiven Parteidienstzeit vom 31.8.1932 bis 13.3.1938 auf das Besoldungsdienstalter bei der ehemaligen Reichspost, bei der er es bis zum Postsekretär brachte.
Auf Grund der obigen Darlegungen gehörte der Beschuldigte in der Verbotszeit der NSDAP und SA als Mitglied an.
Durch den Beitritt zur österreichischen Legion vor dem 13.3.1938 ist aber auch das Tatbestandsmerkmal der besonders verwerflichen Gesinnung des § 11 VG gegeben, denn es widerspricht in erheblichem Maße den staatsbürgerlichen Pflichten und dem staatsbürgerlichen Anstande, sich als Österreicher im Auslande dem Aufenthaltsstaate zu dem Zwecke zur Verfügung zu stellen, diesem Staate zur Beseitigung der Selbständigkeit Österreichs und zu seiner Einverleibung behilflich zu sein.
Der Beschuldigte hat bei seiner Registrierung als Nationalsozialist am 1.3.1946 in Altheim das goldene HJ-Abzeichen als Parteiauszeichnung und seine Parteimitgliedschaft anzugeben unterlassen.
Die Ausdehnung der Anklage in der Richtung des § 8 VG wird der Hauptverhandlung vorbehalten und insbesondere davon abhängen, ob sich der Beschuldigte [...] einer Nachregistrierung unterzogen hat.
Der Beschuldigte ist geständig.

Staatsanwaltschaft Linz, am 22.4.1947

Urteil (Auszüge)
<Anm.2>
Das Volksgericht beim Landesgericht Linz, Senat Ried im Innkreis hat über von der Staatsanwaltschaft Linz gegen Rudolf L. wegen Verbrechen nach §§ 10, 11 VG erhobene und auf das Verbrechen nach § 8 VG ausgedehnte Anklage nach der am 1.August 1947 [...] durchgeführten Verhandlung [...] zu Recht erkannt:
Rudolf L. [...] ist schuldig, [...] [siehe Anklageschrift, Anm. AutorInnen]
Er hat hiedurch das Verbrechen nach § 11 Verbotsgesetz begangen. Er wird hiefür gemäß § 11 VG und § 265a StPO
<Anm.3> zur Strafe des schweren Kerkers in der Dauer von 18 (achtzehn) Monaten ergänzt durch einmal Fasten vierteljährlich [...] verurteilt.
Gemäß § 11 VG wird auch auf den Verfall seines gesamten Vermögens erkannt..
Hingegen wird er von der weiter gegen ihn erhobenen Anklage, er habe gelegentlich der Registrierung der Nationalsozialisten am 1. März 1946 in Altheim, Oberösterreich, bei seiner Anmeldung über wesentliche Umstände unvollständige Angaben gemacht gemäß § 259/3 StPO
<Anm.4> freigesprochen.

Gründe:

[...] Offenbar unter dem Einflusse seiner Umgebung kam der Angeklagte frühzeitig zur HJ und trat am 31.8.1932 – er war damals noch nicht ganz 18 Jahre alt – von der HJ zur SA über. Am 1.5.1932 [richtig: 1933, Anm. AutorInnen] war er an einem Zusammenstoss zwischen Nationalsozialisten und Kommunisten in Danglfing, Gemeinde St. Laurenz in OÖ. Beteiligt. Dieser Zusammenstoß hatte ein gerichtliches Nachspiel. Es wurde gegen eine Reihe von nationalsozialistischen Gesinnungsgenossen des Angeklagten und auch gegen ihn die Anklage wegen Verbrechens nach § 83 StG erhoben. Der Angeklagte gibt an, er habe sich nach diesem Vorfalle – also nach dem 1.5.1933 bis zu seiner Flucht aus Österreich nicht mehr weiter für die Partei betätigt. Wohl ursächlich des gegen ihn schwebenden gerichtlichen Verfahrens flüchtete der Angeklagte am 6.11.1933 über den Inn nach Deutschland. Er gibt diesbezüglich an, seine Flucht sei über Weisung seines Sturmführers (also einem Vorgesetzten in der damals bereits verbotenen SA-Einheit) erfolgt. [...]
Der Angeklagte gibt zu, das goldene HJ-Abzeichen erhalten zu haben. Er erklärt sowohl im Vorverfahren als auch in der Hauptverhandlung niemals der Partei angehört zu haben; er habe keinen Antrag auf Aufnahme in die Partei gestellt und auch keinen Bescheid in dieser Hinsicht erhalten. Im Vorverfahren gibt der Angeklagte auch zu, dass ihm der Titel „Alter Kämpfer“ zuerkannt wurde, und dass er die Nummer 6,372.625 erhielt.
Gelegentlich der Registrierung der Nationalsozialisten machte der Angeklagte am 1.3.1946 in Altheim nachstehende Angaben:

Rubrik Mitglied der SA . . . . . . . . . . . vom Sept.1932 bis Mai 1938
Rubrik Mitglied des NSKK . . . . . . . . . vom Juni 1938 bis 27.4.1945
Rubrik Mitglied der NSDAP . . . . . . . . nein
Rubrik Parteiauszeichnungen . . . . . nein

Der Angeklagte gibt hiezu an, er habe bei der Registrierung die ihm verliehene Parteiauszeichnung nicht angeführt, da ihm beim Gemeindeamt gesagt worden war, dass dies nicht verlangt werde. Dieses Versäumnis habe er aber nachgeholt [...]. Hinsichtlich der Parteizugehörigkeit habe er keine Nachregistrierung vorgenommen. [...]

Den Personalakten des Angeklagten bei der Post- und Telegraphendirektion für Oberösterreich zufolge unterliegt es keinem Zweifel, dass der Angeklagte der NSDAP angehört hat. Sein Eintrittsdatum wird im Personalakte an einigen Stellen [...] mit 15.3.1938, bzw. 1.5.1938, an einer anderen Stelle [...] mit 1.9.1932 angegeben, an welchem Tag er der Ortsgruppe Altheim sowie dem SA-Sturm 14/2 beigetreten ist. [...]

Es ist aber immerhin möglich, dass der Angeklagte, der übrigens zugibt als „Alter Kämpfer“ anerkannt worden zu sein, sich über seine Zugehörigkeit zur Partei selbst in einem Irrtum befunden habe. [...]

Das Volksgericht erachtete daher hinsichtlich dieses Punktes der Anklage ein Verschulden des Angeklagten nicht für nachgewiesen und ging diesbezüglich mit einem Freispruche vor.

Ried im Innkreis, 1. August 1947


Beratungsprotokoll
<Anm.5>
Volksgericht beim Landesgericht Linz, Senat Ried im Innkreis, am 1. August 1947
Strafsache gegen Rudolf L. wegen Verbrechens nach §§ 10, 11 Verb. Ges.
[...]
I) Einhellig ergeht der Beschluss auf Abweisung der gestellten Beweisanträge.
II) Einhellig ergeht der Schuldspruch weg. Verbr. nach § 11 VG.
III) Mit Stimmenmehrheit u. zw. geg. die Stimme des Vorsitzenden ergeht der Freispruch v. d. Anklage weg. Verbr. nach § 8 VG. Der Vorsitzende stimmt für Schuldspruch weg. Verbr. nach § 8 VG. und begründet sein Votum damit, dass seiner Ansicht nach der Angeklagte sich darüber im klaren sein musste, dass er zumindestens seit Mai 1938 der Partei angehörte. Dies geht aus d. Inhalte des Personalaktes hervor.
IV) Das Volksgericht beschließt einhellig die Anwendung des § 265a StPO.
V) Einhellig ergeht der Ausspruch über die Strafe.
VI) Einhellig ergehen alle übrigen Bestimmungen des Urteiles.
VII) Einhellig werden die Kosten für uneinbringlich erklärt (Verfall).

Vg 6 Vr 2758/47 (3 St 2100/47)

gegen Johann W. (geb. 20.8.1910)
Original Archiv OÖLA, Sondergerichte Linz, Schachtel 255
Einleitung wegen § 11 VG
Anklage am 24.11.1947 wegen § 58 StG., §§ 10, 11 VG

Tatvorwurf: Hochverrat (Illegalität, Unterstützung der illegalen NSDAP)
Tatort: Dorf an der Pram
Tatland: Österreich
Tatzeit: 1.7.1933-13.3.1938

Urteil vom 7.5.1948, Haftstrafe 12 Monate wegen § 11 VG, Vermögensverfall
Vorsitzender Richter: KGPräs. Dr. Watzek-Mischan
Beisitzender Richter: OLGR. Dr. Berg
Vertreter der Staatsanwaltschaft: Dr. Kranzlmaier

Zur Person:
1935: 3 Wochen Arrest wegen Verteilens von nationalsozialistischen Flugblättern
(Bezirkshauptmannschaft Schärding)
1.5.1938: NSDAP
1938-1945: Ortsgruppenleiter
Ostmarkmedaille
Altparteigenosse


Anklageschrift (Auszüge)
<Anm.6>
[...]
Johann W. habe in Dorf an der Pram in der Zeit zwischen dem 1.7.1933 und dem 13.3.1938 nach Vollendung des 18. Lebensjahres der NSDAP angehört und sich während dieser Zeit und später für die nationalsozialistische Bewegung betätigt und sei von der NSDAP als "Altparteigenosse" anerkannt worden; er sei als eine der im § 10 Abs.1 VG genannten Personen durch seine Stellung als Ortsgruppenleiter politischer Leiter von Ortsgruppenleiter oder Gleichgestellten aufwärts gewesen.
Hiedurch habe er das Verbrechen des Hochverrates nach § 58 StG in der Fassung der §§ 10, 11 VG 1947 begangen und sei hiefür nach § 11 dieses Gesetzes zu bestrafen. [...]

Begründung:

Die Zugehörigkeit des Beschuldigten zum Personenkreis des § 10/1 VG ergibt sich aus seinem Eintrittsdatum bei der NSDAP vom 1.5.1938 und der Mitgliedsnummer um 6,500.000, womit seine Anerkennung als Altparteigenosse erfolgt war und dem Besitz der Ostmarkmedaille. Der Beschuldigte hat sich auch illegal betätigt. Er wurde nach eigenen Angaben 1935 von der Bezirkshauptmannschaft Schärding wegen Verbreitens von NS-Flugblättern zu drei Wochen Arrest verurteilt.
Von April 1938 bis Kriegsende war er - mit Unterbrechungen infolge seiner Kriegsdienstleistungen - ernannter Ortsgruppenleiter der NSDAP Dorf an der Pram. Der Tatbestand des § 11 VG ist somit im Zusammenhang mit seiner Illegalität erfüllt.
Der Beschuldigte ist geständig.

Staatsanwaltschaft Linz, am 24. November 1947

Urteil (Auszüge)
<Anm.7>

Im Namen der Republik Österreich

Das Volksgericht beim Landesgericht Linz, Senat Ried im Innkreis hat über die Staatsanwaltschaft gegen Johann W. wegen nach § 11 VG erhobene Anklage nach der am 7.5.1948 [...] durchgeführten Hauptverhandlung [...] zu Recht erkannt:

Johann W. [...] ist schuldig, er habe in Dorf an der Pram, in der Zeit zwischen dem 1.7.1933 und dem 13.3.1938 der NSDAP angehört, und sich während dieser Zeit und später für die nationalsozialistische Bewegung betätigt, sei von der NSDAP als Altparteigenosse anerkannt worden und Ortsgruppenleiter gewesen.
Er hat hiedurch das Verbrechen nach § 11 VG begangen und wird hiefür gemäß § 11 VG und § 265a StPO zur Strafe des schweren Kerkers in der Dauer von 1 (einem) Jahre ergänzt durch einmal Fasten vierteljährlich [...] verurteilt.
Gemäß § 55a StG <Anm.8> wird die Vorhaft vom 5.12.1945 bis zum 7.8.1947 in die Strafe eingerechnet, sodass die Strafe durch die Vorhaft verbüßt erscheint.
Gemäß § 11 VG wird auch auf den Verfall des gesamten Vermögens des Verurteilten erkannt.

Gründe:

Der Landwirt Johann W. [...] wurde alsbald nach der Okkupation Österreichs durch die Deutschen noch im April 1938 von der Kreisleitung der NSDAP Schärding zum Ortsgruppenleiter der Ortsgruppe Dorf an der Pram bestellt. Er bekleidete diese Stelle mit einigen Unterbrechungen, welche durch seine wiederholten Einrückungen zur Wehrmacht bedingt waren, bis zum Zusammenbruch der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Seine definitive Ernennung zum Ortsgruppenleiter erfolgte im Jahre 1942. Damals erhielt er von der Kreisleitung der NSDAP das Ernennungsdekret. [...] Er wurde seinen eigenen Angaben nach in die NSDAP mit 1.5.1938 als Mitglied aufgenommen. Seine Mitgliedsnummer war um 6,500.000. Er erhielt die Ostmarkmedaille.
Gelegentlich der Registrierung der Nationalsozialisten machte der Angeklagte in seinem Meldeblatte nachstehende Eintragungen:

Mitglied der NSDAP: . . . . . . . . vom 1.5.1938 bis Mai 1943
Ortsgruppenleiter: . . . . . . . . . vom 1.5.1938 bis Mai 1945

Das im Meldeblatte eingetragene Datum Mai 1943 als Ende seiner Mitgliedschaft dürfte auf einen Schreibfehler zurückzuführen sein und soll wohl 1945 heißen.

Der Angeklagte wurde mit dem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 21.12.1935 [...] wegen Verbreitung von nationalsozialistischen Propagandamaterial mit 3 Wochen Arrest bestraft. Er wurde jedoch vom Kreisgericht Ried mit dem Urteile Vr 1016/35 vom 12.6.1936 von der gleichen Tathandlung, wie sie ihm in dem obangeführten Verfahren der BH-Schärding angelastet worden war, rechtskräftig freigesprochen.
Der Angeklagte bekennt sich nicht schuldig. Er gibt zu, zum Ortsgruppenleiter bestellt, und sodann auch ernannt worden zu sein, und in der obangeführten Zeit als solcher tätig gewesen zu sein. Er bestreitet aber während der Verbotszeit der NSDAP angehört und sich für die nationalsozialistische Bewegung betätigt zu haben.

Der Angeklagte war [...] bei erhobenem Tatbestande und erbrachtem Schuldbeweis des obbeschriebenen Verbrechens für schuldig zu erkennen.

Strafnormierend: § 11 VG (schwerer Kerker von 10-20 Jahren)
Strafzumessungsgründe:
Erschwerend war: Nichts
Mildernd war:
1) Der Umstand, dass der Angeklagte bis auf eine auf einer anderen schädlichen Neigung beruhenden und zeitlich weit zurückliegenden Strafe weiter nicht vorbestraft ist.
2) der ansonsten gute Leumund
3) das teilweise Geständnis

Der Angeklagte wurde am 20.6.1945 über Auftrag der amerikanischen Behörde durch die Gendarmerie verhaftet. Am 2.10.1945 wurde er enthaftet, und dann am 5.12.1945 neuerlich vom Gendarmerieposten Riedau verhaftet. Er war dann in den Lagern W.Orr (Glasenbach) und anschließend vom 22.7.1947 bis zum 7.8.1947 beim Landesgericht Linz in Haft.
[...] Der Angeklagte gibt an, er sei bei seiner zweiten Verhandlung [sic!] über seine Zugehörigkeit zur NSDAP und seine Funktion in derselben befragt worden. Wenn auch eine protokollarische Vernehmung des Angeklagten nicht erfolgt ist, so erscheint seine diesbezügliche Angabe nicht unglaubwürdig. Das Volksgericht schenkte derselben Glauben und nahm daher an, dass der Verfolgungswille des österreichischen Staates bereits bei seiner zweiten Verhaftung am 5.12.1945 in Erscheinung getreten ist. Die Vorhaft war ihm daher von diesem Tage an unbeschadet einzurechnen. [...]

Ried, am 7.5.1948


Beschluss vom 22.2.1957
<Anm.9>

In der Strafsache gegen Johann W. wegen §§ 10 und 11 VG wird gemäß § 2 Bundesverfassungsgesetz vom 18.7.1956, BGBl. Nr. 155/56, auf Erstattung des mit Urteil des Volksgerichtes Linz vom 7.5.1948 gemäß § 11 VG. für verfallen erklärten Vermögens [...] erkannt.

Landgericht Linz, Abt. 6, am 22.2.1957


Vg 10 Vr 2262/48 (3 St 1247/48)

gegen Johann N. (geb. 14.4.1906)
Original Archiv: OÖLA, Sondergerichte Linz, Schachtel 454
Eingeleitet wegen §§ 8, 10 VG
Anklage am 21.1.1949 wegen §§ VG 8, 10 sowie §§ 34, 58 StG

Tatvorwurf 1: Illegalität, SS
Tatort: Wien
Tatland: Österreich
Tatzeit: 1.7.1933 - 13.3.1938

Tatvorwurf 2: Registrierungsbetrug
Tatort: Freinberg
Tatzeit: 2.1946

Urteil vom 21.9.1949: Freispruch
Vorsitzender Richter: OLGR. Dr. Berg
Beisitzender Richter: KGPräs. Dr. Watzek-Mischan
Vertreter der Staatsanwaltschaft: Dr. Geigl

Zur Person:
1.3.1937: NSDAP, Nr. 6,335.634
1.11.1937: SS, Nr. 308.205, SS-Untersturmführer der 89. SS-Standarte
März 1938-Juni 1938: Angehöriger der Gestapo
März 1938-Juni 1938: Angehöriger des SD
Juni 1938: Neunmonatige Außerdienststellung und anschließende Rückversetzung zur Ordnungspolizei wegen verbotener Geschenkannahme
"Altparteigenosse"


Anklageschrift (Auszüge)
<Anm.10>

[...] Johann N. habe,
I. die im Feber 1946 in Freinberg anlässlich der gemäß § 4 Verbotsgesetz angeordneten Registrierung der Nationalsozialisten über wesentliche Umstände unvollständige und unrichtige Angaben gemacht.
II. in der Zeit zwischen dem 1.7.1933 und dem 13.3.1938 nach Vollendung des 18. Lebensjahres der NSDAP angehört und sich während dieser Zeit und später für die nationalsozialistische Bewegung betätigt, sei Angehöriger der SS und sohin eines der Wehrverbände der NSDAP gewesen, sei von der NSDAP als "Altparteigenosse" anerkannt worden und habe sich durch die unter I. näher bezeichnete Übeltat nach dem Inkrafttreten des Verbotsgesetzes in seiner ursprünglichen Fassung eines Verbrechens schuldig gemacht.
Hiedurch habe er begangen
zu I. das Verbrechen des Betruges nach § 8 VG
zu II. das Verbrechen des Hochverrates nach § 58 StG in der Fassung des § 10 VG
und sei hiefür nach § 10 Abs. 1 VG unter Bedachtnahme auf § 34 StG zu bestrafen.
[...]

Begründung:

Laut Mitteilung der Zentralevidenzstelle scheint der Beschuldigte in einer Liste der zur Gestapo einberufenen und im SD verwendeten Schutzpolizisten auf und zwar als SS-Angehöriger seit 1.11.1937 unter Mitgliedsnummer 308.205. In die NSDAP wurde er mit 1.5.1938 unter der Mitgliedsnummer 6,335.645 als Mitglied aufgenommen, also durch Zuteilung einer Mitgliedsnummer aus dem illegalen Nummernblock als Altparteigenosse anerkannt. Demnach gehört er zum Personenkreis des § 10 VG.
Anlässlich seiner Registrierung als ehemaliger Nationalsozialist gab er zwar seine Mitgliedschaft bei der NSDAP an, registrierte sich jedoch nicht als Angehöriger der SS, der Gestapo und des SD. Er hat daher das Verbrechen des Betruges nach § 8 VG zu verantworten. Da er dieses Verbrechen nach dem Inkrafttreten des Verbotsgesetzes in seiner ursprünglichen Fassung begangen hat, ist er auch wegen Verbrechens des Hochverrates nach § 58 StG in der Fassung des § 10 VG zu verfolgen.

Der Beschuldigte leugnet jede Illegalität, gibt aber die Verwendung bei der Gestapo zu. Da jedoch der Beschuldigte schon in den ersten Tagen nach der Annexion Österreichs wegen seines Tatendranges für die Ziele der Bewegung für die Aufnahme in die Gestapo in Vorschlag gebracht wurde und ihm anlässlich dieses Vorschlages seine Zugehörigkeit zur NSDAP seit April 1937 sowie seine Zugehörigkeit zur SS-Standarte 89 bescheinigt wurde, ist seine Verantwortung unglaubwürdig.
Er wird daher durch die beantragten Beweismittel im Sinne der Anklage zu überweisen sein.
Staatsanwaltschaft Linz, am 21.1.1949

Urteil (Auszüge)
<Anm.11>
[...] Das Landesgericht Linz/D. als Volksgericht - Senat beim KG. Ried/I. - hat über die von der Staatsanwaltschaft Linz /D. gegen
Johann N. [...] wegen Verbrechen des Betruges nach § 8 VG. und Verbrechen des Hochverrates nach § 58 StG in der Fassung des § 10 VG nach der am 21.9.1949 [...] durchgeführten Verhandlung [...] zu Recht erkannt:

Der Angeklagte Johann N. wird von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe
1) im Feber 1946 in Freinberg anlässlich der gemäß § 4 VG angeordneten Registrierung der Nationalsozialisten über wesentliche Umstände unvollständige und unrichtige Angaben gemacht,
2) in der Zeit zwischen dem 1.7.1933 und dem 13.3.1938 nach Vollendung des 18. Lebensjahres der NSDAP angehört und sich während dieser Zeit und später für die NS-Bewegung betätigt, sei Angehöriger der SS, sohin eines der Wehrverbände der NSDAP gewesen, sei von der NSDAP als "Alt-Pg." anerkannt worden und habe sich durch die unter 1) bezeichnete Übeltat nach dem Inkrafttreten des Verbotsgesetzes in seiner ursprünglichen Fassung eines Verbrechens schuldig gemacht und hiedurch

zu 1) das Verbrechen des Betruges nach § 8 VG.,
zu 2) das Verbrechen des Hochverrates nach § 58 StG in der Fassung des § 10 VG. begangen,
gemäß § 259/3 StPO
freigesprochen .

Gründe:

Die Anklage legt dem Angeklagten zur Last, er habe sich nur als Pg. vom 1. Mai 198 bis Ende April 1945 registriert, habe SS, Gestapo und SD nicht registriert, sei aber in Wahrheit illegal gewesen, da er seit 1.3.1937 Pg. gewesen sein soll und außerdem seit 1.11.1937 Mitglied der SS. Der Angeklagte verantwortet sich dahin, dass vor der NS-Machtübernahme im Polizeidienst gestanden sei und nach der NS-Machtübernahme der Gestapo zur Dienstleistung zugewiesen worden sei. Dort sei er, wie alle Beamten der Gestapo, als Angehöriger der SS unter der Rückdatierung 1.1.1937 verzeichnet worden, um in die SS übergeleitet zu werden. Der Angeklagte sei jedoch bei dieser Überleitung nicht mehr dabei gewesen, da er nach kurzer Gestapodienstzeit wegen eines Disziplinarvergehens wieder von ihr entfernt worden sei.

Belastet wird der Angeklagte lediglich durch eine Liste, welche beim Bundesministerium für Justiz, Abt. 2, vorliegt, welche auf vertraulichem Wege dem dortigen Amte zugekommen ist und in welcher jene SS-Sicherheitswachebeamten, die in die Gestapo einberufen wurden und auch im SD-Dienst Verwendung fanden, verzeichnet sind, darunter auch der Angeklagte. Dieses Verzeichnis, bei dem kein Datum vorhanden ist und auch nicht ersichtlich ist, wer es ausgestellt hat, lässt sich mit der Verantwortung des Angeklagte ohne weiteres Einklang bringen, da es möglicherweise zur Zeit, als er bei der Gestapo Dienst gemacht hat und seine Erfassung zur SS in Erwägung stand, ausgestellt wurde. Aus den weiteren NS-Unterlagen ergibt sich jedoch, und zwar aus dem [...] Schreiben eines Meisters der Schutzpolizei, Karl K. vom 4.3.1943, dass die seinerzeitige Dienstleistung des Angeklagten bei der Gestapo nicht zur Aufnahme in die SS geführt hat. Es liegt somit kein ausreichender Beweis dafür vor, dass der Angeklagte der SS tatsächlich angehört hat. Daher kann ihm auch eine vorsätzliche Verschweigung dieses Umstandes bei der Registrierung nicht angelastet werden.

Die Nichtanmeldung seiner Dienstleistung bei der Gestapo und beim SD kann ihm aber schon deshalb nicht angelastet werden, weil für diese Umstände im Meldeblatt zur Registrierung keine Fragen enthalten sind.

Die Illegalität des Angeklagten ist zwar insofern gegeben, als er mit der Nr. 6,335.645 in die NSDAP aufgenommen und dadurch als "Alt-Pg." anerkannt wurde. Strafbar ist er aber hiefür nicht, weil die Voraussetzungen der Strafbarkeit nach den §§ 10, Abs. 2 und 11 VG. nicht vorliegen.
Es war daher mit einem Freispruch vorzugehen.

Ried im Innkreis, am 21.9.1949

Beratungsprotokoll
<Anm.12>
Landesgericht Linz/D. als Volksgericht - Senat beim KG. Ried/I. - am 21.9.1949
Strafsache gegen Johann N.
wegen §§ 8, 10 VG.

Gegenwärtig:
Vorsitzender: OLGR. Dr. Berg
Richter: KGPräs. Dr. Watzek-Mischan
Schöffen: Anton F., Karl H., Alois K.
Schriftführer: ReAA. Dr. W.

E i n h e l l i g
ergeht der Freispruch.

Der Vorsitzende: (Unterschrift) Der Schriftführer: (Unterschrift)

Entscheidung
<Anm.13>

Republik Österreich, Bundesministerium für Inneres
Beschwerdekommission nach § 7 des Verbotsgesetzes

Entscheidung

[...]
I. Die Eintragung in den öffentlichen Listen der Nationalsozialisten und zwar:
In Spalte 12: "Mitglied der SS vom 1.11.1937 bis 1945",
In Spalte 15: "Angehöriger der Gestapo von Ende Mär 1938 bis Juni 1938"
In Spalte 22: "belastet gemäss § 17, Abs. (2), lit. b und c des Verbotsgesetzes 1947"
ist zu streichen.

II. Unter Fortbestand der übrigen gemäss § 43 der Verordnung der Bundesregierung vom 10. März 1947, BGBl. Nr. 64, zur Durchführung des Verbotsgesetzes 1947 abzuändernden Eintragung und zwar Mitglied der NSDAP vom 1.5.1938 bis 27.4.1945, Mitgliedsnummer 6,335.645, ist sohin Johann N. als minderbelastet gemäß § 17, Abs. (3) des Verbotsgesetzes 1947 anzusehen.

[...]

Wien, den 15. Februar 1951

<Anm.1>
OÖLA, Sondergerichte Linz, Vg 8 Vr 2373/46, Ordnungsnummer (O.Nr.) 9

<Anm.2>
OÖLA, Vg 8 Vr 2373/46, O.Nr. 16

<Anm.3>
§ 265a StPO [...] 1)Der Gerichtshof ist befugt, in Fällen, für welche die Strafe im Gesetze zwischen fünf und zehn Jahren bestimmt ist, wegen Zusammentreffens sehr wichtiger und überwiegender Milderungsumstände sowohl auf eine gelindere Art der Kerkerstrafe zu erkennen, als auch die Dauer der Strafe herabzusetzen, jedoch nie unter sechs Monate. 2) Wäre die Strafe nach dem Gesetze zwischen zehn und zwanzig Jahren zu bemessen oder auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen, so darf der Gerichtshof wegen solcher mildernder Umstände die Strafe zwar nicht in der Art, aber in der Dauer herabsetzen, jedoch nie unter ein Jahr.
Nach: Ludwig Franz Tlapek, Manz’sche Taschenausgabe der Österreichischen Gesetze, Band 5, Die Strafprozessordnung, Wien 1948, S.173

<Anm.4>
§ 259/3 StPO: Der Angeklagte wird durch das Urteil des Gerichtshofes von der Anklage freigesprochen:
[...] 3. wenn der Gerichtshof erkennt, dass die der Anklage zugrundeliegende Tat vom Gesetze nicht mit Strafe bedroht, oder der Tatbestand nicht hergestellt, oder nicht erwiesen sei, dass der Angeklagte die ihm zur Last gelegte Tat begangen habe, oder dass Umstände vorliegen, vermöge welcher die Strafbarkeit aufgehoben oder die Verfolgung aus anderen als den unter Z.1 und 2 angegebenen Gründen ausgeschlossen ist.
Nach: Ludwig Franz Tlapek, Manz’sche Taschenausgabe der Österreichischen Gesetze, Band 5, Die Strafprozessordnung, Wien 1948, S.166.

<Anm.5>
OÖLA, Vg 8 Vr 2373/46, keine Ordnungsnummer.
Beratungsprotokolle werden von den SachbearbeiterInnen nicht geöffnet. In diesem Falle lag dieses jedoch ohne Kuvert dem Akt bei.

<Anm.6>
OÖLA, Vg 6 Vr 2758/47, O.Nr. 14

<Anm.7>
OÖLA, Vg 6 Vr 2758/47, O.Nr. 25

<Anm.8>
§ 55a StG [...] Die Verwahrungs- und Untersuchungshaft, die der Verurteilte vor Verkündung des Urteils erster Instanz erlitten hat, ist auf Freiheitsstrafen und Geldstrafen anzurechnen, soweit der Verurteilte sie nicht verschuldet hat. [...]
Nach: Gustav Kaniak, Manz’sche Ausgabe der Österreichischen Gesetze, Das österreichische Strafgesetz, Wien 1948, S.39

<Anm.9>
OÖLA, Vg 6 Vr 2758/47, ohne Ordnungsnummer

<Anm.10>
OÖLA, Vg 10 Vr 2262/48, O.Nr. 10

<Anm.11>
OÖLA, Vg 10 Vr 2262/48, O.Nr. 19

<Anm.12>
OÖLA, Vg 10 Vr 2262/48, O.Nr. 18, Hierzu: Siehe Fn. 5

<Anm.13>
OÖLA, Vg 10 Vr 2262/48, ohne Ordnungsnummer


Verfasst vom linzteam
(Christina Altenstraßer, Peter Eigelsberger, Konstantin Putz, Lydia Thanner)