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Ankündigung de Veranstaltung
Geraubte Kulturgüter
Nationalsozialistische "Buchbeschaffung" und die Universitätsbibliothek Graz

Vorträge in Graz, 4. November 2015
im Hauptlesesaal der Universitätsbibliothek
ab 15 Uhr

Während des Nationalsozialismus wurden politisch und "rassisch" verfolgte BürgerInnen und Institutionen (Gewerkschaften, Arbeitervereine, Freimaurerlogen, Religionsgemeinschaften) ihrer Besitztümer beraubt. Darunter befanden sich nicht nur wertvolle Gemälde, sondern auch Bücher und sogar ganze Bibliotheken, die auf verschiedenen Wegen – über Gestapo, Oberfinanzprokuratur und so genannte "Judenauktionen" einerseits, aber andererseits auch über Dublettentausch, "Geschenke" und Antiquariatskäufe – an öffentliche Bibliotheken, darunter die UB Graz, gelangt sind und bis heute gelangen können.
Ziel der bibliothekarischen NS-Provenienzforschung an der Karl-Franzens-Universität ist es, solches NS-verfolgungsbedingt entzogenes Buchgut ausfindig zu machen und an die Nachfahren bzw. RechtsnachfolgerInnen der Enteigneten zurückzugeben und damit einen Beitrag zur Vergangenheitsbewältigung zu leisten.
Birgit Scholz und Markus Helmut Lenhart, MitarbeiterInnen des Projekts Provenienzforschung an der UB Graz, geben einen Überblick über die bisher erfolgten Restitutionen – u. a. an die Nachfahren des Nobelpreisträgers Otto Loewi – sowie über den institutionalisierten nationalsozialistischen Buchraub.

Die Bedeutung derartiger Restitutionsbemühungen öffentlicher Einrichtungen erschließt sich vor allem im historischen Vergleich:
In der unmittelbaren Nachkriegszeit wurde sogar die Strafjustiz bemüht, um Rückstellungen zu verhindern. Ein besonders eklatantes Beispiel stellt Winfried R. Garscha, Ko-Leiter der Zentralen österreichischen Forschungsstelle Nachkriegsjustiz am DÖW, vor: den Prozess des Volksgerichts Wien gegen Adolf Hitler im Jahre 1952. Der Prozess war ein so genanntes "selbständiges" oder "objektives Verfahren", wie siezum Zweck der Beschlagnahme des Vermögens eines beim Verfahren selbst nicht anwesenden Angeklagten geführt werden. Der einzige Vermögenswert im Eigentum Hitlers, den die Republik Österreich 1952 finden konnte, war das Gemälde Jan Vermeer van Delfts "Der Maler in seinem Atelier" (auch: "Die Malkunst").
Der frühere Besitzer, Jaromir Czernin-Morzin, war 1940 gezwungen worden, das Gemälde zu einem hohen, dennoch unter dem Marktwert liegenden Preis an Hitler zu verkaufen, der es in dem in Linz geplanten "Führermuseum" ausstellen wollte. Die Oberste Rückstellungskommission der Republik wies Czernins Ansprüche bereits 1949 ab, das Gemälde sollte im Kunsthistorischen Museum bleiben. Die juristischen Auseinandersetzungen dauerten bis zu einer endgültigen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zuungunsten Czernins im Jahre 1960 an. Dass die Behörden dazwischen auch ein Strafgericht bemühten, um das Gemälde für die Republik zu beschlagnahmen, ist ein Indiz dafür, dass es offensichtlich für notwendig erachtet wurde, die Rechtsmeinung der Rückstellungskommissionen durch zusätzliche juristische Zwangsmittel abzusichern.

Ort: Hauptlesesaal der UB Graz, Universitätsplatz 3a, 8010 Graz




Abgelegt im Archiv am
28. Okt. 2015